Karlsruhe, 24.06.2012
Sehr geehrte Damen,
Sie können sich möglicherweise vorstellen, dass ich lange
überlegt habe, womit ich heute abend für Sie meine Gedanken
zum Thema Zukunftsperspektiven veranschaulichen kann und
Ihre Diskutierlust anregen könnte.
Für mich als katholische Theologin, an einem Ort, der in meiner
Wahrnehmung evangelisch geprägt ist.
Und mit einem Themenschwerpunkt, der in der Öffentlichkeit auf
die kath. Kirche hin vorsichtig formuliert – skeptisch –belächelt
wird. Frauen – das ist das Thema meines Arbeitsfeldes im
Erzbischöflichen Seelsorgeamt Freiburg.
Und alles das in ökumenischer Perspektive, für den Diskurs zur
Zukunft von Religion und Gesellschaft, geistreich und schwungvoll
- eine Herausforderung heute abend - für alle Beteiligten!
Aus diesem Grund habe ich mich entschieden, Ihnen meine
Aufgabe in der Kath. Kirche von Freiburg zu erläutern und zu
berichten, womit ich mich aktuell beschäftige. Daran wird dann
hoffentlich auch deutlich, wie ich meine Zukunftsperspektiven und
die der Frauen pointiere!
Ich arbeite für Frauen in der Katholischen Kirche, in dieser sind
Frauen bei den Hauptamtlichen immer noch massiv
unterrepräsentiert. Viele Leitungspositionen sind per se
verschlossen, da sie mit Priestern besetzt werden.
Bei den Ehrenamtlich Engagierten gibt es sehr viele Frauen, die
weibliche Dimensionen in der Pastoral repräsentieren, aber auch
darum ringen müssen. Das bedeutet z. B. um Anerkennung
anderer Formen von Spiritualität, die Körper, Geist und Seele
zusammenbringt, um die Sprache, um Aufgabenverteilungen etc.
Bei diesen wie auch bei allen anderen, die sich einfach als
gläubige Katholikinnen bezeichnen würden, gibt es - vor allem bei
den Jüngeren, eine große Bewegung, die das Vorzeichen
„Möglichkeit“ trägt. Will heißen, die Überzeugung dieser
Christinnen äußert sich so : „Wenn die Kirche uns keine
Möglichkeit gibt, uns als Individuen, als mündige und
mitbestimmende Staatsbürgerinnen, als die wir andernorts
geschätzt und gefragt sind, in den Glaubensvollzug und in die
Institution einzubringen, dann suchen wir andere Orte, an denen
unsere Spiritualität und eine geschwisterliche Kirche lebbar ist.“
Und in diesem „Möglichkeitsdiskurs“ geht es um weitere heiße
Eisen: Nicht nur um den Ausschluss der Frauen vom Amt und die
damit in Zusammenhang stehenden männlich dominierten
offziellen Frömmigkeiten, es geht auch um den Umgang mit in
einer neuen Partnerschaft lebenden Geschiedenen, um
Lebensformen, um Hetero und Homosexualität, um Blindheit der
in der Hierarchie Verantwortlichen gegenüber ihrer Eigendynamik,
um Fragen der Gemeindeleitung, um nur einiges zu nennen...
Ich selber befinde mich im Zustand der „kritischen Dankbarkeit“ in
meiner katholischen Kirche . Ich habe viel von meiner Kirche
erhalten, kann mein Leben mit christlichen Vorzeichen im
Glauben entwickeln. Damit bin ich naturgemäß nicht am Ende.
Deswegen ist es meiner Loyalität wesentlich, an der zukünftigen
Gestalt der Katholischen Kirche mitzuarbeiten und dabei
parteilich für die unterrepräsentierten Frauen einzustehen.
Mit dieser Einstellung bin ich bei weitem nicht allein, aber es
werden immer weniger, Frauen und Männer, die so empfinden.
Deren Frustrationstoleranz immer noch groß genug ist, weiterhin
an der Vision einer geschlechtergerechten Kirche mitzuarbeiten.
„Gottebenbildlichkeit und ein Miteinander von Frau und Mann in
einer unjesuanischen und unerlösten Geschlechterhierarchie
passen nicht zusammen“(Sr. Dr. Aurelia Spendel )
Dies Zitat soll Ihnen die positive und die schwierige Spannung, in
der wir arbeiten, veranschaulichen!
Nun bin ich nicht allein mit der Überzeugung, dass die aktuellen
Problemlagen der Katholischen Kirche nicht mit dem Wort
„Gotteskrise“ treffend benannt werden. Es handelt sich um eine
Kommunikationskrise und Plausibilitätskrise ( siehe erwähnte
Frauenfrage) der kirchlichen Institutionen.
Die Suche nach Gott, nach Sinn, nach Lebenserfahrungen
jenseits des Marktes und des Konsums, nach Gerechtigkeit ist bei
den Menschen ungebrochen.
Auch deswegen befinden wir uns in der kath. Kirche von Freiburg
im Moment in dem sog. „Dialogprozess“, in dem es wesentlich
darum geht, unsere Zukunftsfähigkeit in einem guten, an das
Evangelium zurückgebundenen Prozess weiter zu entwickeln.
In diesem Zusammenhang hat mir der EB im vergangenen
Sommer eine - wie ich finde- ganz brisante Frage zur
Beantwortung vorgelegt:
„ Wo sehen Sie konkrete Möglichkeiten für die Weiterentwicklung
des gemeinschaftlichen Miteiadners von Frauen und Männern in
der Kirche?"
Ich habe dazu 40 Frauen befragt, aus einem breiten
Altersspektrum und mit unterschiedlicher Nähe zur Katholischen
Kirche.
Von den differenzierten Antworten war ich nicht überrascht, viele
Frauen haben gute, gedanklich durchdrungene, auch seit langem
diskutierte Vorschläge zur Beantwortung gemacht.
Überrascht hat mich die große Wucht, mit der fast durchgängig
alle Frauen ihre diskriminierenden Erfahrungen und Verletzungen
durch die Vertreter der Kirche benannt haben.
Überrascht hat mich, dass das Thema priesterlicher Lebensform,
sprich Zölibat, von den Frauen an keiner Stelle erwähnt wird.
Und überrascht war ich über die Einhelligkeit der nächsten
Schritte, die zur Verbesserung des Miteinanders eingeleitet
werden sollten:
- Alle vom Kirchenrecht her möglichen Positionen mit Frauen und
Männern ohne Weihe zu besetzen( da gibt es viele
Möglichkeiten!)
- Frauen den Weg zum Diakonat zu eröffnen
- Das Thema Geschlechtergerechtigkeit institutionell mit hoher
Verbindlichkeit zu implantieren.
Es gab durchaus desillusionierte Antworten, in der Moll-Tonart,
auf die Frage nach der persönlichen Vision einer
geschlechtergerechten Kirche. Die Hoffnungsfähigkeit einiger
befragten Frauen ist diesbezüglich offensichtlich nicht (mehr)
vorhanden.
Das ist zu konstatieren.
Gefreut habe ich mich dann über das hohe Maß an Kreativität und
„Querdenkvermögen“, das bei der Beantwortung dieser Frage
nach der persönlichen Vision zutage trat. Eine Antwort will ich
Ihnen nicht vorenthalten:
"Erst wenn es in Rom eine Doppelspitze gibt - einen Papst und
eine Päpstin- wird das Thema Geschlechtergerechtigkeit wirklich
ernst genommen und vorangetrieben".
Vielleicht fragen Sie sich jetzt, in der Mehrzahl evangelische
Christinnen, warum ich Ihnen das alles erzähle. Mit dem Thema
Geschlechtergerechtigkeit stehen Sie in Ihrer Kirche historisch an
einem anderen Punkt der Entwicklung.
Es gibt eine Wahrnehmung, die sich mir bei der beschriebenen
Befragung bestätigt hat und die ich bereits lange kenne:
Es gibt bei vielen Frauen ein tiefes -auch spirituelles- Wissen um
das Wesentliche, das dem Leben dient. Über alle Konfessionen
hinweg. Das finde ich z. B. immer wieder bestätigt im alljährlichen
Weltgebetstag. Frauen aus aller Welt beten gemeinsam und
lassen dabei in jedem Jahr eine andere Tradition zu Wort
kommen, der sich alle annähern.
Sie akzeptieren ihre vielfältigen Dialekte christlicher Traditionen in
der Gewissheit, dass es nicht um richtig oder falsch geht.
In der Begegnung mit einer meiner besten Freundinnen, einer
aufrechten Baptistin, genießen wir diese existentielle Haltung seit
langem, gegenseitig. Mit ganz viel Zuneigung und Respekt
voreinander, aber auch viel gemeinsamen Gespräch, loten wir
immer die Dimensionen unseres tätigen weiblichen
Glaubenslebens aus! Und wir genießen gegenseitig dass wir uns
haben, jenseits aller Vorurteile und manchmal sperrigen
christlichen Dialekte!!
Das ist mir auch in der – fast innerkatholischen- Befragung, von
der ich berichtet habe wieder deutlich entgegengetreten. Des
wegen glaube ich auch, dass ich so allgemein formulieren darf:
Viele Frauen lassen sich nicht mehr von angeblich
unveränderlichen Vorgaben einengen, fragen nicht nur rational
nach Sinnhaftigkeit, sondern verorten ihren Glauben und die
damit verwobenen Arten, im Leben zu sein in ihrer ganzen
Person.
Auch und vielleicht gerade in der Ökumene.
Viele Frauen wissen, dass diese Diskussionen, in denen es um
den Austausch hochausdifferenzierter und seriös ausgewogener
Argumentationen geht,bestenfalls immer viel zu lange dauern,
schlechtestenfalls zu keiner spürbaren Veränderung führen.
Und das können wir uns angesichts innerkirchlich bedrängender
Problemlagen und erst recht nicht bei klarem Blick auf die
weltpolitische Lage nicht leisten.
Mit dieser Selbstgewissheit und Erfahrung müssen Frauen sich
deutlich vernehmbar einmischen, in den politischen, den
innerkirchlichen Diskurs und in die Ökumene. Leben findet heute
statt und will unseren spezifischen Beitrag!
Gestatten sie mir abschließend einen Gedanken:
Vielleicht waren sie gerade schon ein wenig irritiert durch meinen
vermeintlich unreflektierten Gebrauch des Wortes "Frauen". Die
Diskussion um verbindliche Frauensolidarität oder einem
gemeinsamen, alle Frauen verbindenden Wesen ist
abgeschlossen! Frauen haben kein überall feststellbares gleiches
politisches oder innerkirchliches Interesse.
Und doch gibt es möglicherweise eines, was alle Frauen
untereinander verbindet und die Basis individuellen Handelns und
der gemeinsamen Diskussion darstellt:
Alle Frauen sind Töchter!
Die katholische Theologin Regina Ammicht Quinn hat diesen
Gedanken in ihren Veröffentlichungen sehr spannend dargelegt,
ich will mit einem (sinngemäßen) Zitat von ihr enden und ihr
Tischgespräch anregen:
"Aus dem Tochtersein folgt eine doppelte Aufgabe: die Aufgabe
dieses Tochtersein anzuerkennen, für Wert zu halten
und...zugleich aus dem Töchterstatus herauszutreten...das
bedeutet... nicht mehr alle Autoritätspersonen als Eltern zu
betrachten und von ihnen Liebe zu erwarten. Dieser Schritt ist viel
schwieriger, als er zunächst klingt. Denn mit dem Töchterstatus
verlieren Frauen Privilegien,...vielleicht auch die Liebe der Eltern.
Aber es ist die einzige Möglichkeit, wirkmächtig in der Welt zu
werden."
Ihre Diskutierlust ist gefragt!
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